Datum: 10. Dezember 2023 00:17
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Der Sumpfgnom
Ich denke, das Gendern wird sich so entwickeln wie die schon fast 28 Jahre (!) alte Rechtschreibreform. Wer es machen muss (z.B. viele Behörden), der macht es halt, wer sich frei entscheiden kann, hat die freie Wahl.
Die Tschenderei möchte ich nur zum Teil mit der Rechtschreibreform vergleichen. Einige alte oder mittelalte Säcke wie ich klammern sich mit Zähnen und Klauen an der alten Rechtschreibung fest. Für das junge Geschlecht, das mit der Rechtschreibreform herangewachsen ist, ist indes "dass" die völlig "natürliche" und unangefochten "richtige" Schreibweise, und wir Daß-Schreiber werden irgendwann aussterben, wie die Thun-Schreiber ausgestorben sind.
Ich bin mir aber sicher, bei den verschiedenen Arten der Tschendersprache wird es niemals so kommen. Die Sternchen, Unterstriche, Schrägstriche, Klammern und was es da noch alles gibt, sie werden ewig ein Aufgesetztes und Angestrengtes sein, in der geschriebenen Sprache und erst recht in der mündlichen Umsetzung als Schluckaufsprache. Es wird nie die Zeit kommen, da die Menschen "natürlich" so schreiben oder reden.
Freilich gibt's noch die Paarformen ("liebe Donaldistinnen und Donaldisten"), die im Schriftbild nicht auffallen. Aber auch da gilt, daß kein Mensch das unerbittlich durchzieht. So eröffnet man eine Rede an die lieben Donaldistinnen und Donaldisten, aber schon im ersten Satz läßt man's fallen. "Liebe Donaldistinnen und Donaldisten, unter den alten Kreterinnen und Kretern gab es Bäckerinnen und Bäcker, Müllerinnen und Müller, Fischerinnen und Fischer, aber keine Donaldistinnen und Donaldisten." So redet niemand, und tut's einer doch, verdrehen die Zuhörer die Augen. Die Paarform, weil so umständlich, gehört nur in besonderen hervorgehobenen Fällen spärlich eingestreut einer als "natürlich" empfundenen Sprache und Schreibe an.
Am ehesten in die "natürliche" Sprache einwachsen könnten Formen wie "Studierende". Das aber nur in einigen wenigen Fällen – wie eben bei den Studenten, wo man sich daran gewöhnt hat, daß sie zumindest amtlicherseits stets "Studierende" heißen (daß im überkommenen Sprachbau ein Student am Wochenende im Club um drei Uhr nachts allein ein "Studierender" der Wirkung von bewußtseinsverändernden Stoffen ist, ist wieder was anderes). Aber: "Unter den alten Kreterinnen und Kretern gab es Backende, Mahlende, Fischende." Das glaubt keine Sau, daß wir einmal den Tag erleben, an dem die Menschen auf ungezwungene Art so schreiben und reden. (Ihre Forschenden lasse ich ihnen mal durchgehen, aber sollte
Geo Epoche damit beginnen, die alten Kreter auf diese Weise aufzumischen, ist die Zeitschrift einen "Lesenden" der ersten Stunde los.)
Ich glaube nicht, daß die Tschenderei dem "generischen Maskulinum" je ernsthaft was anhaben wird.
8-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.12.23 01:17.