Re: BL und Fuchstext
geschrieben von:
Coolwater
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Datum: 21. Juni 2023 02:39
Literariküssische Überlegungen.
In den ersten Jahren hat die Fuchs Entenhausen deutlich in Deutschland verortet. Hamburg, Frankfurt, Basel, Wien, Bonn (Bundeshauptstadt!) auf den Autobahnschildern im Knoblismusbericht, der Bodensee und der Rheinfall von Schaffhausen im Hausbootbericht. Donalds "reicher Onkel in Amerika" ist 1952 unausgesprochen noch auf der anderen Seite des Atlantischen Weltmeers, und der Donald besucht ihn dort grad.
Irgendwann Mitte bis Ende der Fünfziger – ich kann nicht genau sagen, wann, die donaldistischen greisen Weisen werden's wissen – kehrt die Fuchsowa von dem Verfahren ab, Entenhausen in Deutschland einzupflocken. Seitdem haben wir in den Entenhausener Landen – "Hommagen" an irgendwelche Kuhkäffer in der Fichtelgebirgsgegend ausgenommen – "Phantasieorte", wenngleich die Namen als solche meist deutsch sind; auch wird nie, nie, nie mitgeteilt, wie die Landschaft, das Land, der Staat, der Erdteil heißt, worin Entenhausen liegt. Meines Wissens einzige, große Ausnahme: der Goldhelmbericht.
Das fand ich schon immer bemerkenswert: Wir wissen bekanntlich nicht, wie der Staat, aber wir wissen auch nicht einmal, wie die Landschaft heißt, worin Entenhausen liegt. Jede vernünftige Landschaft hat einen eigenen Namen. Man stelle sich vor, einer schriebe sechstausend Seiten Bilderberichte über den Alltag einer Sippe aus Hannover, Innsbruck oder New Orleans. Vielleicht haben die Leute nix mit der großen Politik zu schaffen, und Berlin, Wien und Washington sind fern, und den Kanzler oder Präsidenten läßt man gern einen guten Mann sein – aber irgendwo auf diesen sechstausend Seiten müssen doch mal die Namen Niedersachsen, Tirol, Louisiana fallen. Doch alles Land um Entenhausen scheint namenlos. Wir hören stets nur Entenhausen, Entenhausen, Entenhausen und dann, einmal, im Goldhelmbericht, das Riesending Amerika.
Warum Fuchsens Abkehr von der Deutschland-Einbettung Entenhausens?
(Die Amerika-Gegenstellung des "reichen Onkels" dürfte sie schon deutlich früher fallengelassen haben, wahrscheinlich schon beim nächsten Bericht, der in ihre Finger geriet und in dem der Kerl gleich wieder auftauchte. Donald und die Neffen hatten zu oft mit ihm zu tun, einerseits den Onkel in Amerika und andererseits die Neffen in einem noch in Deutschland verorteten Entenhausen festzunageln entpuppte sich ihr wohl rasch als unmögliches Unterfangen; und Entenhausen mit seinen Hochhäusern sah bei Donald genauso amerikanisch aus wie die Metropole "in Amerika", in der der "reiche Onkel" lebte.)
Ich kann mich nicht entsinnen, daß die Füchsin sich zu ihrer Kehre jemals geäußert hätte. Ich vermute: Sie merkte nach einiger Zeit, der ganze Hintergrund der "Geschichten" war zu amerikanisch, und dies machte die unmittelbare Deutschland-Verortung unglaubwürdig. Entenhausen hat nicht nur amerikanische Briefkästen und Wolkenkratzer, nein, die Stadt hat ein Wildwest-Hinterland mit Kakteenwüsten, Geisterstädten und Indianern. Dafür gibt's dort keine mittelalterlichen Altstädte, keine Burgen und barocken Kirchlein als Tupfer in der Landschaft, wie's uns in Mitteleuropa lieber Anblick ist – es ist eindeutig "Kolonialland" der jüngsten Zeit, eben der amerikanische Westen. Letzter Hammerschlag: Wenn die Ducks nach Europa reisen, nehmen sie den Flieger oder Weltmeerdampfer. Nein, hier kann keine Autobahn nach Bonn oder Basel führen.
Je mehr Stoff sie besah und bearbeitete, um so mehr mußte der Füchsin die anfängliche Deutschland-Einsenkung Unbehagen bereiten und wie ein erster "netter Versuch" erscheinen. Zu viele Unstimmigkeiten, zu viele Unsinnigkeiten taten sich auf. Also: rettende Flucht in ein "namenloses" Land – in dem freilich die deutsche Zunge klingt; eine Rückkehr nach Duckburg hatte die Fuchsowa nimmermehr im Sinn. Ich reiche Spekulatius: Vielleicht gab der Kabatek den Anstoß, oder beide trieb's um, und sie besprachen's und kamen überein, besser sei's, Entenhausen zu "entorten".
9-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.06.23 03:51.