Datum: 14. August 2009 02:36
Hans Horst Heulmann schrieb:
> Nebenbei gefragt: Gelten Barks-titelbilder auch
> als Bericht, d.h. sind die dort zu bestaunenden
> Gegebenheiten als Tatsachen zu interpretieren?
Es gibt Titelbilder von Carl Barks, auf denen "Ereignisse", Szenen und Szenerien dargestellt sind, die so gar nicht wirklich gewesen sein
können. Ich spreche hier namentlich von einigen der Titelbilder, die Barks zu den langen Abenteuerberichten angefertigt hat.
So zeigt etwa Barksens Titelillustration zu dem Bericht "Jagd nach der Roten Magenta", wie Donald und die Kinder mit der Posttasche aus dem Tempel fliehen, dicht hinter ihnen El Dorado und die Seinen. Wir wissen jedoch aus dem Bericht, daß den Ducks die Flucht mit der Tasche nur gelingt, da der Vergoldete und die Indianer im Tempel wegen seiner, El Dorados, Versilberung durch die Ducks von diesen komplett abgelenkt worden sind.
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Ein weiteres Beispiel: Das Titelbild zu dem Bericht "Das Münstermännchen". Dagobert, Donald und die Kinder hängen hilflos an einer Glocke an der Spitze des Münsterturmes, derweil das Münstermännchen grausamen Scherz mit ihnen treibt, indem es die Glocke bimmeln läßt. Grausamen Scherz trieb das Phantom mit den Ducks nun in der Tat nicht wenig, aber
diesen bösen Schabernack sah man doch nicht im Bericht beschrieben, und nach der Logik der Ereignisabfolge, wie sie der Bericht übermittelt, kann er so auch nicht passiert sein. Im übrigen zeigt das Münster im Bericht auch gar keine so freistehende Glocke auf seinem Turm.
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Drittes Beispiel: Der Titel zu "Das Geheimnis der Eisenbahnaktien". "Geister" quellen aus dem Schlot der Lokomotive hervor und jagen die Ducks in die Flucht. Kommt nicht im Bericht vor und stellt die Geschehnisse im Bericht komplett auf den Kopf.
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Man könnte noch mehr Beispiele zeigen. Es dürfte aber insgesamt klar sein: Diese Titelbilder halten nicht unbedingt einen Ausschnitt aus dem realen Geschehen "fotografisch" fest, vielmehr stellen sie dichte und ausdrucksstarke szenische Kompositionen aus verschiedenen Elementen aus dem jeweiligen Bericht dar.
Vielfach sind auf den Titelbildern die Elemente ja auch stark stilisiert oder reduziert wiedergegeben (siehe etwa das Münster oben), andererseits wiederum die Proportionen der Figuren gerne massiv verzerrt (die Köpfe der Ducks sind auf den Titelbildern oft übergroß, aber auch z. B. El Dorado ist auf dem Titelbild oben viel größer als im Bericht).
Das zu den Abenteuertiteln. Barks' Titelbilder teilen sich, soweit ich sehe, ausschließlich in zwei Kategorien auf: in solche, die inhaltlich auf einen Bericht verweisen, meist einen längeren Abenteuerbericht, dann aber noch in die sogenannten "Gagtitel", die Witziges, Seltsames, Unterhaltsames zeigen, was die Ducks tun - oder was ihnen angetan wird.
Es ist die Frage, ob man die Titel aus der zweiten Kategorie nun für bare Münze nehmen soll. Daß irgend etwas Dargestelltes so nicht geschehen sein
kann, dürfte hier wesentlich schwerer nachzuweisen sein als bei einem Großteil der Abenteuertitel. Ich meine, daß man auch hier besser grundsätzlich vorsichtig und zurückhaltend sein sollte. Manches, was man da sieht, ist nun nicht so außergewöhnlich, daß es in Barksens Namen nicht genau so passiert sein könnte. Andererseits sieht man die Ducks hier wiederum Dinge tun, die gar zu aberwitzig wirken und auch in Anbetracht der Wundersamkeit Entenhausens und des Völkchens, das dort haust, in einem gewissen Kontrast zum ("sinnvollen") Handeln der Personen und zur ("empirischen") Natur der Dinge stehen, wie sie uns aus den Berichten vertraut sind. Ich gehe deshalb davon aus, daß Barks auch hier phantasievoll "Szenen" geschaffen hat, die - eben als lockende Titelillustrationen für die Hefte mit den Berichten - erheitern und verblüffen sollen, aber nicht in jedem Fall reale Ereignisse festhalten.
(Wenn ich mich recht erinnere, existiert sogar ein spätes WDC-Titelbild von Carl Barks, auf dem die Visagen von "Micky Maus" und dessen Fiffi "Goofy" zu sehen sind, wie sie Donald Duck bei einem Zauberkunststückchen zusehen. Es ist doch offensichtlich, daß in diese Szene Irreales ... Irres kräftig eingemengt ist.)
Behutsam angefaßt, mögen indessen auch die "Gagtitel" als Quellen zu uns sprechen. Wenn zum Beispiel ein Forscher das folgende Titelbild als Beweis dafür nehmen wollte, daß Dagobert Duck einen Baum besitzt, auf dem Geld wächst, würde ich meine Zweifel anmelden und dem die Möglichkeit entgegenstellen, daß der Zeichner hier und anderswo auf den Titeln der Reihe "Uncle $crooge" ein Schalk war und vielleicht nur Ducks Liebe zu Geld und Geldeswert in etwas grotesk-absurder Form karikieren wollte. Dagegen mag ein Donaldist, der einen Artikel über Gießkannen in Entenhausen verfaßt, möglicherweise guten Informationsgehalt aus diesem Bild ziehen und Aufschlüsse erhalten, wie Gießkannen in Entenhausen aussehen - sofern nicht jemand plausibel ausführt, daß Barks sich genötigt sah, für die Darstellung einer vermutlich fiktiven Szene von Dagobert Duck mit einer Gießkanne dem alten Geizkragen eine Gießkanne in die Hand zu drücken, die in ihrer Machart von dem in Entenhausen Üblichen abweicht.
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Meine zwei Kreuzer.
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.08.09 02:39.