Datum: 11. Juli 2023 15:40
Auf Brauns Ausführungen zu Nam' und Art der Zwergindianer will ich näher eingehen.
Braun schilt Fuchs für den Namen "Zwergindianer". Im Urbarks falle die Bezeichnung "Pygmy Indians" nur im Titel und einmal aus dem Munde Onkel Dagoberts als "Hilfsterminus", als die Familie Duck die Zwergindianer das erste Mal zu Gesicht bekommt "und es somit noch nicht besser weiß". Sobald die Ducks aber erfahren, wie der Stamm sich selber nennt – "Peeweegahs" –, heißen auch die Ducks ihn nur noch mit diesem Namen. Bei Fuchs dagegen, stöhnt Braun, bezeichnen sich die kleinwüchsigen Ureinwohner sogar selber als "Zwergindianer"!
Ich muß gestehen, daß sich die Zwergindianer selbst Zwergindianer nennen, habe ich auch immer etwas seltsam gefunden. Und nun muß ich, ich kann nicht anders, sogleich in den Kern des inneren Donaldismus zurücktreten. Janusköpfiger Donaldismus, der du auf das Deine mit einem Gesicht von außen und einem Gesicht von innen zugleich blickst! Noch seltsamer ist nämlich, daß die Zwergindianer Deutsch reden! Die Ducks verstehen sie, und sie verstehen die Ducks. Und bei Barks ist's nicht anders: Die "Peeweegahs" reden Englisch!
Wenn die eh Deutsch reden (warum auch immer), ist es allerdings nur noch ein Klacks, daß sie sich selber Zwergindianer nennen. Wahrscheinlich kennen auch die Zwergindianer andere, höhergewachsene Indianervölker. Somit die Eigenbezeichnung als "Zwerge". Vielleicht war "Zwergindianer" im Ursprung eine Fremdbezeichnung (von Weißen), die sie erst mit der Zeit als Eigenbezeichnung übernommen haben. Daß Onkel Dagobert sie beim ersten Anblick gleich so nennt, noch ohne ihre Eigenbezeichnung zu kennen – Treffer ins Schwarze.
Auch im
Herrn der Ringe nennen sich die Zwerge selber Zwerge. Wobei in Mittelerde weder Deutsch noch Englisch geredet wird, sondern Westron, und die Zwerge haben dort ihre eigene Sprache und bezeichnen sich selber als "Khazâd". Die Zwerge reden aber auch Westron, und wenn das ins Deutsche und Englische übertragen wird, ist "Zwerge" der "richtige" und nicht abwertende Name, den auch die Zwerge selber gebrauchen. Zwerg und stolz drauf!
Braun sagt nun: "Warum ausgerechnet Erika Fuchs […] Barks' Begriff der 'Pygmäen' in 'Zwerge' verwandeln muß, erstaunt. Das Wort Pygmäe als Synonym für kleinwüchsige Volksgruppen geht nämlich auf die griechische Antike zurück (u. a. bei Homer und Ovid zu finden) und wird hier von Barks völlig richtig (und keinesfalls rassistisch) verwendet. Dagegen sind Zwerge Phantasiewesen aus dem Märchenreich. Barks' Indianerstamm hier ist aber nicht Fantasy, sondern lediglich von kleinem Wuchs."
Da muß ich – schon wieder im Ring des äußeren Donaldismus stehend – reingrätschen. Man kann nicht sagen, daß die Fuchs die "Zwerge"
unmittelbar aus Sage und Märchen übernommen habe. Bekanntlich bezeichnet man damit seit unvordenklichen Zeiten auch
wirkliche kleinwüchsige Menschen, besser gesagt: Man bezeichnet
e sie so, denn heute mag man's ja nicht mehr tun. Und nicht nur kleinwüchsige Einzelmenschen nannte man so, nein, die deutschsprachige Völkerkunde früherer Tage bezeichnete kleinwüchsige Volksgruppen als "Zwergvölker". Siehe etwa
Meyers Konversations-Lexikon, 1888, oder
Meyers Großes Konversations-Lexikon, 1905, oder etwa
diesen Vortrag eines Gelehrten von 1894 oder
diesen von 1882.
Gewiß, so sagt man heut wohl nicht mehr, aber bis weit ins 20. Jahrhundert tat man's eben, und Fuchsens "Zwergindianer" passen da gut hinein. Man mag von der Bezeichnung halten, was man will, aber wenn in der früheren wissenschaftlichen Völkerkunde in Deutschland die Rede von "Zwergvölkern" festgefügt war, kann man wirklich nicht behaupten, die Fuchs habe den kleinwüchsigen Indianern mit "Zwergindianer" einen Märchennamen übergestülpt.
Ich weiß auch nicht, wieso Braun "Pygmäen" so viel besser als "Zwerge" findet. Wikipedia: "'Pygmäen' ist die Eindeutschung des lateinischen Namens
pygmaei, der in der Antike aus der altgriechischen Sprache ins Lateinische übernommen wurde.
Das altgriechische Wort πυγμαῖος pygmaíos bedeutet 'Fäustling', 'von der Größe einer Faust'; es ist von
pygmḗ ('Faust') abgeleitet. In der Antike, im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit verwendete man den Namen zur
Bezeichnung von mythischen Fabelvölkern, die angeblich in Afrika oder Asien lebten." Man beachte die von mir hervorgehobenen Teile: "Fäustling, von der Größe einer Faust", "mythische Fabelvölker". Was sind Pygmäen im Ursprung anderes als sagenhafte – Zwerge?
Nee, es ist schon würdig und recht, daß die Fuchs "Zwergindianer" setzt statt "Pygmäenindianer". Das letzte ist sprachlich unschön, und mit dem Wort "Pygmäen" kann ein Jungleser womöglich gar nichts anfangen, wogegen jedes Kind weiß, was ein Zwerg ist. Und: Beim englischen "pygmies" mag's anders sein, weil man im Englischen eh viel mehr lateinert und griechelt als im Deutschen, aber im Deutschen nimmt man "Pygmäen" vor allem als "Namen" von kleinwüchsigen Völkern in Mittelafrika, und ihn kleinwüchsigen Indianern in Nordamerika überzustülpen, das wär' eher der Gewöhnung bedürftig.
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 11.07.23 17:56.