Dagobertismus über Barks hinaus
geschrieben von:
Das Schwarze Phantom
()
Datum: 13. September 2003 22:58
Am Beispiel des Dagobertismus sieht man doch ganz gut, daß die Beschränkung nur auf Barks-Geschichten das Lesevergnügen um die Schrulligkeiten des Duck-Universums deutlich schmälern würde. Viele bizarre Details, komische Marotten und andere groteske Phänomene wurden erst von anderen Zeichnern und Autoren aufgegriffen resp. eingeführt und gaben dem Ganzen erst die richtige Würze.
Hier ein paar Kostproben: Dagobert ritzt als Erkennungszeichen ein Kreuz in den Rand all seiner Taler ein (LT 24, S.199) und jede Banknote versieht er mit einer Gegenzeichnung (LT 107, S.28). Gebrauchte Briefumschläge stülpt er um, um sie erneut verwenden zu können (LT 91, S.63), abgerissene Kalenderblätter bewahrt er auf, um aus ihnen einen neuen Kalender zusammenzubasteln (PKT 4, S.3). Das [teure] Golfspielen ersetzt er durch "Spargolf" [= "Golf" mit leeren Konservendosen auf dem Geldspeicher-Vorplatz] (LT 49, S.174) und sollte er mit der Bahn verreisen, läßt er sich schon mal als Frachtgut im Güterwaggon transportieren (TGDD 36, S.39). Morgens wird Dagobert von einem Spezialwecker geweckt, der nicht rasselt, sondern klimpert, indem er Goldstücke auswirft (MM 25/75, S.28). Zum Aufspüren von Schadinsekten besitzt Dagobert eine sehr skurrile Konstruktion: das "Mottensuchgerät" (LT 99, S. 69). Auch die Eßgewohnheiten des reichsten Mannes suchen ihresgleichen: "Einen schöneren Start in den Tag kann ich mir kaum vorstellen, als mit einem Glas Regenwasser und Brotabfällen von den Marktplatztauben!" so die Worte des reichsten Mannes zum Frühstück (LT 213, S.199). Und sollte der Tycoon Erste Hilfe benötigen, so helfen am besten Talerkompressen (MM 23/68, S.4).
Auch die rätselhafte Entenhausener Ökonomie wird von anderen Zeichnern weiter ausgeleuchtet: Da haben wir etwa den Arbeitsmarkt, der nach sehr sonderbaren ökonomischen Regeln funktionieren muß. "Angestellten der Firma Duck können wir keinen Kredit gewähren! Ihre Löhne sind zu niedrig!" beteuert der Mitarbeiter einer Konkurrenzbank (MV 11/85, S.32).
Auch der Geldmarkt weist anachronistische Strukturen auf. Dagobert über die Zinsen seines Bankhauses: "Wie niedrig die bei mir sind brauch' ich ihm ja nicht auf die Nase zu binden!" denkt er im Angesicht eines potentiellen Geldanlegers (DDT 182, S.92).
Und auch am Konsumgütermarkt spielt der Duck-Konzern keine überragende Rolle: Ein Unternehmensberater bemängelt die viel zu kleinen und unscheinbaren Geschäfte, die aus Kostengründen in unbedeutenden Nebenstraßen lägen sowie das Warenangebot, das überwiegend minderwertige 2. Wahl sei (LTE 2, S.263).
Wie können sich die Duck'schen Unternehmen also am Markt behaupten, wenn sie in puncto Gehälter, Zinsen und Produkte offensichtlich schlechter sind als der Gesamtmarkt? Wie kann Dagobert Duck seine Stellung als reichster Mann der Welt auf lange Sicht halten?
Wie schon richtig bemerkt, gleicht der Duck'sche Unternehmensstil dem eines mittelalterlichen Tyrannen. Doch wir finden daneben auch das zeitgemäße, weltoffene Management, verkörpert vor allem durch Klaas Klever, der seinen Namen ganz zu Recht trägt. In den überwiegenden Episoden erweist sich Klever als der praxisnähere Geschäftsmann und doch
muß er [zum Ärger des Lesers] gegenüber Dagobert stets scheitern. Diese Konstellation erinnert in ihrer Konstruiertheit doch sehr stark an Ede Wolf und die Schweinchen, deren Konflikte immer zu Lasten Edes ausgehen [auch wenn es sich der Leser oft anders wünschen würde].
All diese Widersprüche und Achs-Brüche sind dem Entenhausener Universum immanent und haben letztlich nichts mit der Konzentration auf einen oder mehrere Zeichner zu tun.