Datum: 08. Juli 2003 01:52
BvH hat geschrieben:
> In meinen Indexen gebe ich immer nur das an, was objektiv
> feststellbar ist, also den Bleistiftzeichner [Penciller].
> Dessen Stil ist ja auch prägend für eine Geschichte.
Stimmt schon grundsätzlich. Manche Tuscher fallen auch gar nicht weiter auf, wie zum Beispiel Cavazzanos Zemolin, da sie bis zur Selbstverleugnung dem Pfade ihres "Herrn" folgen. Es gibt auch tatsächlich so etwas wie einen prägenden Scarpaschen "Grundstil", der allen Geschichten, von wem auch immer sie getuscht sein mögen, seinen Stempel aufdrückt. In einem dichten, handlichen Index ist denn auch mehr als die Angabe "Scarpa" gewiß nicht notwendig.
Anders sieht es aber meines Erachtens aus, wenn man ausdrücklich die Zeichnungen als solche analysiert. Denn mag der Bleistiftvorzeichner auch prägend wirken, des Tuschezeichners Individualität scheint mitunter durch. Ich habe deshalb auch gerade Scarpa erwähnt, weil man gerade bei ihm trotz gemeinsamer Grundlage doch die verschiedenen Tuscher jeweils als Element erkennt, das innerhalb der Grundform "Scarpa" seinen eigenen Ausdruck findet. Ich selber habe als Kind immer die modernen Scarpa-Geschichten, die von Sandro del Conte getuscht wurden, doch immer als von jemand anderem gezeichnet empfunden als die, die von Cavazzano getuscht wurden, und diese wiederum anders als jene noch früheren, die von Cimino getuscht wurden. Natürlich spielt dabei auch der künstlerische Wandel von Scarpa selbst eine Rolle, aber ich persönlich denke doch, daß, wenn man ein gewisses Gespür für die Zeichnungen hat, bei aller natürlicher Veränderung über die Zeiten der Bruch bei den verschiedenen Tuschern Scarpas recht sichtbar ist - ein "Bruch" in relativer Hinsicht, denn das gemeinsam Scarpasche ist natürlich als solches immer zu spüren und wahrhaftig das eigentlich "Prägende", wie Du treffend bemerkt hast.
Die Tuscher mit einzubeziehen, würde jedenfalls bei einer Analyse der Zeichnungen gewiß nicht schaden. Im 86er-Heft findet sich zum Beispiel die Feststellung: "Leider hat sich Scarpas Zeichenstil ganz erheblich gewandelt. [...] Vergleicht man beispielsweise Stories wie 'Der Kolumbusfalter' (LT 1) mit Stories wie 'Ein Luftschloß' (MM 17/72) oder 'Der Mund der Wahrheit' (LT 56), so glaubt man kaum, daß es sich um ein und denselben Zeichner handelt." Dies ist jedenfalls leichter verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß die erste Geschichte von Cimino getuscht wurde, die dritte aber von Cavazzano. ("Ein Luftschloß" stammt laut Inducks angeblich sowieso nur von Cavazzano, nicht von Scarpa.) Dasselbe gilt für die Aussage: "Leicht mit Scarpa zu verwechseln ist Cavazzano" - das trifft meines Erachtens eben nur auf von Cavazzano getuschte Scarpa-Geschichten zu, nicht auf solche, die von Cimino oder Del Conte getuscht worden sind.
Ein unglaublicher zeichnerischer Wirrwarr herrscht bei Jippes-Geschichten. In den fünf Alben habe ich elf (!) verschiedene Typen von Geschichten ausgemacht, was Bleistiftvorzeichnungen (
und Tusche (T) betrifft:
1.) B: Jippes; T: Jippes
2.) B: Jippes; T: Milton
3.) B: Jippes; T: Verhagen
4.) B: Jippes; T: Nadorp
5.) B: Jippes/Milton; T: Jippes/Milton
6.) B: Jippes/Milton; T: Verhagen
7.) B: Jippes/Verhagen; T: Verhagen
8.) B: Jippes/M. de Jong; T: M. de Jong
9.) B: Jippes/Nadorp; T: NN
10.) B: Milton; T: Jippes/Milton
11.) B: Nadorp; T: Nadorp (hier hat Jippes nur am Text gewerkelt)
Man müßte bei alledem, was unter dem Etikett "Jippes" läuft, feinste Unterscheidungen treffen. Beim häufigen Typus der von Verhagen getuschten Geschichten sehe ich jedenfalls, wenn ich an "echte" Verhagen-Geschichten denke, das spezifisch Verhagensche durchaus, wenngleich es natürlich im Zaum gehalten wird und niemals aus dem Jippes-Korsett auszubrechen vermag. De Jong als jippesfremdes Element zu identifizieren, ist erst recht kein Problem.
Viel schwieriger, wenn nicht gar unmöglich ist es, in Geschichten, die in Zusammenarbeit zwischen Jippes und Milton entstanden sind, jeweils charakteristische Züge zu sehen, obwohl reine Jippes-Geschichten nicht allzu schwer von reinen Miltons zu trennen sind. Interessant sind auch die verschiedenen Abstufungen, die vielen unterschiedlichen Jippes-Milton-Mischtypen. Ob da wohl ein ganz schleichender, harmonischer Übergang von purem Jippes über "mehr Jippes, weniger Milton" und dann "halb Jippes, halb Milton" und "mehr Milton, weniger Jippes" bis zu purem Milton vorzufinden wäre?
Grotesk und ungewöhnlich häßlich sieht die Geschichte "Nichts als Pech!" im fünften Album aus, die im Inhaltsverzeichnis als hundertprozentiger Jippes ausgewiesen ist. Ich glaub', da wollte Jippes mal ausprobieren, wie es ist, mal nicht im üblichen Barks-Stil, sondern in spätem Taliaferro-Stil zu zeichnen.