Datum: 04. Mai 2005 09:46
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Weltweit erfolgreich, in Köln zuhause: Benedikt Taschen
Der Kölner Buchverleger äußert sich im Gespräch mit Martin Oehlen.
KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Taschen, wer auf ein Jubiläum zustrebt, wird zuweilen sentimental.
BENEDIKT TASCHEN: Ich nicht. Da gibt es stattdessen die Freude, dass der Verlag und dass ich überlebt haben.
Was ist der stärkste Eindruck aus den letzten 25 Verlags-Jahren?
TASCHEN: Ich habe viel Spaß gehabt - und auch viel Glück. Bei all den unterschiedlichen Dingen, die ich gemacht habe, war ich immer mit Begeisterung dabei. Selbst dann noch, wenn überhaupt kein Grund dafür vorhanden war. Wenn ich darüber nachdenke, ist es eine wundersame Entwicklung. Denn andere haben genau so viel gearbeitet und sich genau so engagiert, aber sind nicht unter einem glücklichen Stern zur Welt gekommen.
Mit Comics fing alles an.
TASCHEN : Für alte Comics bin ich durch ganz Deutschland gefahren, als ich noch keine 18 Jahre alt war, und habe alle möglichen Keller und Speicher, Abgründe und Kleinstadtidyllen kennen gelernt. Das ging später, als ich den Laden in Köln hatte, so weiter: Weil ich nicht das anbieten wollte, was alle anbieten, fuhr ich durch Europa und kaufte Magazine und Bücher ein.
Ihr Lieblings-Comic?
TASCHEN : Immer schon die Donald-Duck-Geschichten von Carl Barks. Früher dachte ich, dass ich der einzige sei, den das interessiert. Als ich dann feststellte, dass auch andere diese Geschichten mögen, die allerdings in der Regel 15 Jahre älter waren als ich, war das ein schönes Glücksgefühl.
Warum Donald Duck?
TASCHEN : Zum Beispiel habe ich da alles Wesentliche über den Kapitalismus gelernt. Ich glaube, dass das Leben - etwa das in Kalifornien - wirklich so funktioniert wie in Entenhausen. Darum war das auch alles nichts Neues für mich, als ich später nach Los Angeles zog. Ein großer, ein genialer Mann, dieser Carl Barks, der wunderbare, komplexe Geschichten gezeichnet hat.
Sind Sie Mitglied der Donaldisten?
TASCHEN : Nein, die haben mich nie gemocht. Das lag wohl daran, dass ich mit den Heften gehandelt habe - und das ist bei denen verpönt. Die Einstellung war, dass man kein Kapital daraus schlagen sollte und lieber selbstlos die Hefte verschenkt.
Bei Comics ist es nicht geblieben.
TASCHEN : Es kam manches dazu. Das liegt daran, dass es mich langweilt, wenn sich eingefleischte Fans nur noch auf die eine Sache fokussieren. Das ist so eindimensional, dass es nicht meine Sache ist.
Beim Taschen-Verlag sind im Laufe der Zeit immer neue Felder eröffnet worden - Kunst, Architektur, Sex.
TASCHEN : Mir hat mal einer - in einem anderen Zusammenhang - am Tresen hier in Köln gesagt: „Dat musste bringen, wenn du im Showgeschäft bleiben willst.“ So kam im Verlag eines zum anderen. Aber das meiste hat mich schon von Kindheit an interessiert. Das waren vor allem Dinge, die ich mit meinen Augen wahrnehmen konnte. Vieles in diesem Programm ist autobiografisch - und weil das Leben sich ändert, ändert sich auch das Programm.
Die Autobiografie wirkt sich auch auf Preisgestaltung aus?
TASCHEN: Klar! Ich habe mich immer für Kunstbücher interessiert, die aber sehr teuer waren. Darum habe ich mich bemüht, sie billiger auf den Markt zu bringen. Und als alle dicke und billige, aber dann oft auch doofe Bücher machten, habe ich mir überlegt, ob wir nicht auch mal ganz kostbare Bücher machen sollten, wie früher die Folianten im 19. Jahrhundert es waren. So entstanden dann die Prachtausgaben zu Helmut Newton oder Ali. Das war kein Geschäftsmodell, mich hat es einfach gereizt, mit der heutigen Technologie seriell die schönsten und größten Bücher der Welt zu machen.
Das Programm zielt ins Bunte.
TASCHEN : Im Grunde sind wir ein Fachverlag für Anthropologie. Für manche ist es unverständlich, dass wir dieses und jenes und dann auch noch etwas anderes machen. Aber für mich ist das ganz klar. Es gibt doch auch vielfach begabte Menschen: Die können über die Straße laufen, Kaugummi kauen und einem dann auch noch „Guten Tag“ sagen. Mir hat man manchmal gesagt, dass ich nicht diese Sache machen kann, wenn ich jene schon im Programm habe - aber das hat mir nie eingeleuchtet. Im Laufe der Zeit haben
sich dann auch diese Puzzlesteine zu einem Programm zusammengefügt.
Gibt es ein Erfolgsrezept?
TASCHEN : Wir haben immer alles alleine gemacht und konnten dadurch alles beeinflussen. Wo Taschen draufsteht, ist auch Taschen drin. Es war mir immer wichtig, dass es eine Identifikation mit dem Angebot gibt - dass all das glaubwürdig ist. Ich habe es immer als eine Aufgabe angesehen, das Werk der Künstler, die ich liebe, schätze und verehre, zu kommunizieren - es öffentlich zu machen und auch an heutige und künftige Generationen in unterschiedlichen Kulturkreisen weiter zu geben.
Wann haben Sie geahnt, dass der Verlag weltweit operieren sollte?
TASCHEN : Das habe ich von Anfang an gedacht. Viele Verlage, nicht nur in Deutschland, hatten Berührungsängste mit dem Ausland. Wir nicht - wir mussten ins Ausland gehen. Dabei war und ist ökonomisch entscheidend, dass wir in vielen Sprachen und für viele Länder gleichzeitig produzieren und so unsere Kosten stark reduzieren können.
Ist Köln ein guter Ort, um global zu operieren?
TASCHEN : Auf jeden Fall ist es ein Ort, der günstig gelegen ist, um die großen Städte Europas zu erreichen. Also: Man ist hier auch immer ziemlich schnell weg.
Wie wichtig ist dem Kunstsammler Taschen die Kunststadt Köln.
TASCHEN : Köln war für eine kurze Zeit einmal ein ganz zentraler Punkt in der Kunstwelt. Aber das ist lange her - nur haben das die meisten hier noch nicht gemerkt.
(KStA)