Re: Von der Fuchskrittelei zur Fuchsschelte
geschrieben von:
Coolwater
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Datum: 23. September 2023 15:23
Mit Fräulein Tuschel habe ich mich in den letzten Tagen ein wenig über die Übersetzerei ausgetauscht.
Ich will unterstreichen, welch ein Glück es ist, daß wir unsere Fuchs haben, und letztlich ein Zufallsglück, keins, das durch planmäßige Arbeit gebahnt worden wäre, das somit gar kein Glück wäre, sondern erwartbare Ernte ausgestreuter Saat. Wir ehren die Fuchs für ihre Kunst, aber im Grunde nehmen wir's als gegeben hin, daß mit ihrem Wirken Entenhausen den Ton hat, den wir kennen. Alle Entenhausenübersetzer, die nach ihr kamen, schreiten weiter auf dem Pfad, den sie bahnte, dessen Richtung sie wies.
Gewiß, sie schlagen Seitenwege ein, geben ihren Übersetzungen eigene Duftmarken; einer frischen Micky-Maus- oder TGDD-Übersetzung merkt man schon an, das ist nicht Fuchs, sondern von wem anderen. Aber all die anderen werden am Ende auf die Fuchsbahn gesetzt, ob sie wollen oder nicht, in der Entenhausenübersetzerei kann keiner mehr das Rad neu erfinden.
Wie ganz anders es aber sein könnte – wir haben glücklicherweise ein Beispiel mit den Chotjewitzübersetzungen in den Melzerbänden. Glücklicherweise meine ich hier gar nicht spöttisch, ich sehe es für die große Schau tatsächlich als glücklichen Umstand, daß wir mit den Chotjewitzübersetzungen als "Versuch" Entenhausen auch in einer ganz anderen Toneinstellung bekommen haben. So müssen wir uns dieses "alternative Entenhausen" nicht nur als Denkmöglichkeit aus dem Hirn dünsten, als Luftgebilde, das nicht ist und nie war,
Alles ist so viel einfacher, kunstloser, roher beim Chotjewitztext (der obendrein den Umweg übers Italienische gegangen ist). Und ein Beispiel für eine Einzeltoneinstellung Fuchsens: Wie im Urbarks auch sprechen bei Chotjewitz die Ducks von sich als "Enten" und werden von anderen so geheißen, und sie kreischen "Quack!". Das hat die Fuchs von Anbeginn abgestellt, nur in ganz vereinzelten, besonderen Lagen tritt dieses Ententum der Ducks hervor. Alle deutschen Übersetzer bis heute bleiben bei dieser Fuchstoneinstellung – müssen dabei bleiben, können hier gar kein eigenes Süppchen kochen. Uns kläng's schräg und ungehörig, nennten Donald und die Seinen sich Enten.
Der Fuchs hat niemand gesagt, wie sie übersetzen soll, und sie fragte nicht erst lange, wie sie übersetzen sollte, sondern sie übersetzte eben irgendwie. Nein, nicht irgendwie, sondern wie's ihr recht dünkte. Den Entschluß, Entenhausen den Ton zu geben, den sie ihr gab, faßte sie kraft eigener Selbstherrlichkeit. Aber wie's gelaufen ist, war reines Glück. Und alles hätte auch ganz anders laufen können.
Nehmen wir an, an jenem denkwürdigen Tag, als Erika Fuchs in einem Stuttgarter Büro saß und zur Micky-Maus-Chefredaktion kam wie die Jungfrau zum Kinde, also zur richtigen Zeit am richtigen Ort war – nehmen wir also an, an jenem Tag hätte Frau Fuchs mit schwerem Fieber in Schwarzenbach das Bett gehütet; Besuch in Stuttgart abgesagt. Statt ihrer hätte sich nun ein Chotjewitz in jenes Stuttgarter Büro verlaufen – ich sage nicht "der" Chotjewitz, der war zu dem Zeitpunkt zu jung, und einen Doktortitel hätte man auch "gebraucht", um als Micky-Maus-Chefredakteur aus dem Büro zu schreiten. Also "ein" Chotjewitz, einer, der von ähnlichem Übersetzergeist beseelt war, noch allgemeiner, einer, der einfach ganz anders übersetzt hätte als die Fuchs.
Hätte dieser "Chotjewitz" einen Professortitel gehabt, zweifellos hätte er sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren müssen, daß sie ihm das Micky-Maus-Amt aufbinden. Aber Professor hin oder her, entscheidend ist, "was hinten rauskommt". Und wenn der Mensch keine rechte Übersetztlust gehabt hätte, vielleicht auch keine hohe Meinung von dem, was den "dummen" Kindern in diesen "primitiven" Bildergeschichten zuzumuten und aufzutischen sei, als Fachmensch für Gottweißwas vielleicht auch nicht wie die Fuchs literarische Bildung und Sprachkunstwollen gehabt hätte, die er in den Sprechblasen überreich zu verschwenden gedacht hätte – dann, ja dann hätten wir vielleicht vom ersten Tag an Barksberichte im Stile der Chotjewitzübersetzungen bekommen, und ich sag' Euch eins, Leute: Wir erfreuten uns an diesem Entenhausen, wie man sich eben dran erfreuen könnte, denn wir kennten es nicht anders. Barksens Erzähl- und Zeichenkunst ist zu stark, eine ungeschlachte Übersetzung, eine schräge Toneinstellung, sie kann den Genuß trüben, aber sie schafft es nicht, den Barks in den Abgrund zu ziehen.
Doch wäre Entenhausen von Anbeginn auf diese Bahn gerollt worden, wir hätten gar nicht den Vergleich mit dem Fuchsentenhausen, das nie war; somit wären wir den fuchslosen Barks zufrieden gleich den gefesselt in der Höhle Hockenden, die nichts anderes kennen als die tanzenden Schatten an der Wand. Wahrscheinlich hätten wir bis heute ein Übersetzungswirrwarr, weil an einer zu einfachen, kunstlosen, "kindgerechten" Übersetzung, die Entenhausen vielleicht zwanzig Jahre lang zuteil geworden wäre, doch einmal Mißmut aufgekommen wäre, und wer anders hätte dann in die Hände gespuckt, sich auf den Hosenboden gesetzt und das Barkswerk neu zu vertonen versucht. Und wir sähen heut wohl ein Hauen und Stechen über die Frage, wie Entenhauen am rechtesten ins Deutsche zu übertragen sei, und die Fachleute und Fäns mahnten gewiß, die urbarksgetreuste Übersetzung sei die beste und davon Abwege zu beschreiten sei vom Übel, und in der fuchslosen Welt wär's dies vielleicht auch.
Von einer Übersetzerin Erika Fuchs, die um 1950 einige Jahre lang für Reader's Digest längst vergessene Kleinarbeiten gemacht hätte, hätten wir indes nie erfahren. Zur falschen Zeit das Bett gehütet – ein geschichtlicher Schmetterlingsschlag mit Sturmfolgen. Vielleicht hätte sich die Fuchs als freie Übersetzerin für einen Kunstverlag ausgetobt, das würde zu ihr passen. Englische Bücher über den Barock oder den Klassizismus ins Deutsche übersetzen und so Sachen. Die würden sich gewiß auch schön lesen.
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.09.23 16:59.