Datum: 29. September 2022 03:02
Quote
Der Haarige Harry
Hoast du net den Horst dabei, hoast du oach koane ernsthaften Sorgen. Oder oanen Wladimir, welchen oach ümmer.
A reins Hochboarisch is des fei net.
Im Bairischen steht der Zwielaut "oa" in vielen – nicht in allen! – Fällen für den hochdeutschen Zwielaut "ei". Sonst nicht.
Ausnahme: Die hochdeutsche Lautfolge "ar" vor Mitlaut oder am Wortende geben viele Bairischschreiber in bairischem Deutsch gerne mit "oa" wieder: Hochdeutsch "Karsten", "Arsch", "gar" und so weiter gerät so zu "Koasten", "Oasch", "goa" und so fort. Der Zwielaut "oa" entsteht hier durch "Vokalisierung" des "r" und hat in der Herkunft mit dem anderen, "richtigen" Zwielaut "oa" nichts zu tun.
Für die deutschen Mundarten gibt es keine verbindlichen Rechtschreibungen. Gezwungen und vernünftig greifen Mundartschreiber auf die Schreibverbindlichkeiten der Hochsprache zurück. Ich möchte die beschriebene Bairischschreibung nicht empfehlen und neige statt dessen zu "Korsten", "Orsch", gor". Die "Vokalisierung" des "r" obläge dem lesenden und "wissenden" Bairischsprecher dieser Bairischwörter.
Ist im Hochdeutschen ja das gleiche wie im bairischen Deutsch: Wer spricht schon selbst in reinstem Tagesschausprecherdeutsch "Kachsten", "Achsch", "gach"? Jeder "weiß", das "r" in "Karsten", "Arsch", "gar" wird zum Mitlaut. Und weiß er's nicht, so tut er's, spricht er diese Wörter .
In gescheitem bairischem Deutsch lautet der angeführte Satz:
"Hast [host] du net den Horst dabei, hast [host] du aa koane ernsthaft[e]n Sorgen. Oder an [en] Wladimir, welch[e]n aa immer."
Nach der bereits bereinigten "oa"-Frage ist die drängendste Berichtigung: "oanan Wladimir". Hochdeutsch "einen Wladimir" ist bairisch nur dann "oanen Wladimir", wenn
ein Wladimir (nicht zwei oder drei oder eine Million) gemeint ist. Aber: Ist "einen" nur der Wenfall des unbestimmten Geschlechtswortes "ein", ist's bairisch "an" oder "en" (ausgesprochen wie englisch "an").
Fragwürdig bleibt zuletzt noch "ümmer". Im Grunde gibt's im Bairischen kein "ö" und "ü". Wo im Hochdeutschen "ö" und "ü" ist, wird's im Bairischen immer zu "e" und "i" entrundet (die Untermundart Nordbairisch oder Oberpfälzisch ist eine Ausnahme, hier steht "ö" und "ü" sogar dort, wo's im Hochdeutschen nicht steht: "viel" – "vül"; "elf" –"ölf").
Allerdings: Seit vielen hundert Jahren ist die bairische Mundsprache von der hochdeutschen Schriftsprache überwölbt. Auch die letzte trübe Tasse im hintersten Bayerischen Wald wußte wohl schon um achtzehnhundertfünfzig, daß die Hauptstadt Minga in "gscheitem Deitsch" München heißt. Engländer und Emmerichsländer bringen's heut noch nicht fertig, die Laute "ö" und "ü" durch ihre Lippen zu pressen – dem Bairischsprecher ist's keine Schwierigkeit und war's wohl seit vielen hundert Jahren nie. Und so fließt's bisweilen auch in der Mundart – ein lebend Ding! – von "e" und "i" zu "ö" und "ü. Zumal dort, wo der Bayer auslädt und "gravitätisch" wird in seiner Rede:
Bayer oans: "Mogst a Bier?"
Bayer zwoa: "Üüüüüüüümmer!"
Bayer oans: "Do schaugst!" [schiebt Bayer zwoa ein Bier hinüber]
Bayer zwoa: [trinkt's in einem Zug aus] Aaaaaaah! Döööööös wor guat!"
So
können zwei Bayern reden. Indes: "Iiiiiiimmer" und "Deeeeees" wären das Bairisch-Natürlichere.
Die Vorlesung ist beendet. Mogst a Bier?
7-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.09.22 04:32.