Datum: 09. Oktober 2004 00:24
ein Interview mit Wim Wenders (sehr alliterativ!) über seinen jüngsten Film.
[
www.zeit.de]
Kleiner Auszug:
ZEIT: Gab es einen Zeitpunkt, an dem die Entzauberung begann? Wann wurde Entenhausen zu Los Angeles und Dagobert Duck zu Donald Trump?
Wenders: Das war wohl eher ein langsamer Prozess. Er fing an, als ich zum ersten Mal aus New York rausfuhr, über den Hudson nach New Jersey und dann weiter südlich. Je weiter man vordrang, desto ärmer wurde die Gegend. Ärmer an Variationen, ärmer an Kultur und an Weltoffenheit. Und das war vor 30 Jahren, eigentlich noch Kinderkram im Verhältnis zu dem, was man wahrnimmt, wenn man heute in Amerika den Fernseher anmacht oder über Land reist. Den richtigen Dagobert Duck habe ich erst kennen gelernt, als Ronald Reagan gewählt wurde und seine Reagonomics einführte. Deshalb ging ich 1984 nach Deutschland zurück, weil ich fand, dass Amerika wie Entenhausen regiert wurde.
ZEIT: Inwiefern?
Wenders: Auch in meinen ältesten Erinnerungen an die Donald-Duck-Hefte kommen »Arme« vor. Da gibt es zum Beispiel Geschichten, in denen Donalds Neffen Tick, Trick und Track zu Weihnachten die Armen beschenken. Die drei gehen in Siedlungen, in denen nur ausgemergelte Kinderchen leben. Und genau das ist dann auch in der amerikanischen Wirklichkeit eingetreten. Plötzlich standen all diese Leute in New York auf der First Avenue. Die kamen mit ihren Päckchen und Köfferchen von irgendwo angereist und wussten plötzlich nicht mehr, wohin. Es gab einfach kein soziales Netz mehr, und man versuchte, sich ganzer Bevölkerungsschichten zu entledigen. Damals wurden sogar Geistesgestörte auf die Straße geschickt, weil viele Anstalten zugemacht wurden. In den Clinton-Jahren wurde es ein bisschen ziviler, man versuchte, wieder etwas gutzumachen. Und heute sind die Panzerknacker an der Regierung. Sie haben den Safe ausgeräumt und Entenhausen im Griff. Mit dem Wissen aus den Mickymaus-Heften kommt man immer noch ganz schön weit in der Politik.