Gastrede des Laiendonaldisten
geschrieben von:
Taurus
()
Datum: 06. August 2004 00:51
Als Gastredner und Laiendonaldist denke ich zur Dagobertschen Psychologie:
Dagobert Duck ist im Grunde seines Herzens mehr fanatischer Sammler und weniger ein klassentypischer Kapitalist. Er hortet seine Scheine und Goldtaler und benutzt sie in jeder Hinsicht so, wie ein Sammler Wohlgefallen aus seinen Objekten zieht: er streichelt sie, schafft einen Kult um sie herum, badet darin, inventarisiert immer wieder, zum Teil schläft er sogar auf Gold.
Genau deshalb verausgabt er sich auch so ungerne wieder und entzieht stattdessen all das Goldkapital dem Markt. Echte Sammler sind ja in vielen Fällen allmählich besessen von ihren Sammelobjekten. Nie würden sie ihre besten Stücke einfach so wieder her geben.
Ein gewisser radikal-kapitalistischer Zug ist zwar bei Dagobert nicht zu verkennen, gerade dann, wenn er eine neue Einnahmequelle wittert. Dann geht er oft so rücksichtslos vor, daß alle anderen aus dem Weg gedrängt werden. Wobei er auch oft über das Ziel hinaus schießt.
Andererseits: Welcher echte Kapitalist zeigt jemals so viel und so heißes Gefühl? Die herrschende Manager- und Unternehmerklasse zeichnet sich doch heute durch ein Höchstmaß an Abgebrühtheit aus. Das sind doch alles ziemlich gefühlsentleerte Masken, eigentlich eher graue Eminenzen, die sich verschanzen, Funktionseliten, deren höchstes Gefühl entweder das ihrer Eitelkeit ist oder das der Verachtung aller anderen "Dummköpfe".
Soll man sich wirklich Dagobert-Geschichten heute nicht mehr mit Gefallen durchlesen, weil der Kapitalismus so global geworden ist? Dann könnte man ja auch gleich die Donald-Geschichten knicken: denn dauernd ist er arbeitslos, muß sich mit niedrigsten Helfertätigkeiten abspeisen lassen - und wie viele verzweifelte Arbeitslose gibt es heute allein in unserem Land?
Außerdem gibt es, wenn man hier auch mit Nicht-Barks-Geschichten argumentieren darf, etliche Beispiele dafür, daß Dagobert im letzten Drittel oder Viertel vieler Geschichten doch ein gutes Herz bekommt und fast geläutert erscheint, manchmal sogar im Gegentrend nun auf eine ziemlich fanatische Weise erhebliche Goldmengen für ein gutes Ziel verschleudert.
Dafür kann man zum Beispiel die Nicht-Barks-Geschichte "Aufstand der Roboter" im LTB (kicher) Nr. 30 anführen.
Nachdem Dagobert schon mal auf dem anderen Planeten so viel Schaden angerichtet hat, läßt er seinen fliegenden Geldspeicher für horrende Summen auf der Erde zu einem Kampfkoloss umbauen, nur um dem fernen König wieder zu Hilfe zu kommen. Das ist eigentlich völlig unbegreiflich, selbst Donald versteht es nicht und sagt noch beim zweiten Anflug: "Komm, wir kehren um!", als er die zerstörten Bauten auf dem Planeten sieht.
Was Dagobert dazu bringen könnte, hier so viel "Kapital" einzusetzen, ist vielleicht, daß die Roboter dort auf dem Planeten einen großen Frevel begangen haben: Sie haben seine Goldtaler aus dem Geldspeicherriß herauskullern sehen und dann als Leibspeise entdeckt, ja sind sogar davon beschwipst geworden!
Erlebt Dagobert das jetzt so, daß die Roboter dort seine Taler als Sammelgegenstände ruinieren? Oder sieht er es als einen Generalangriff auf sein Finanzvermögen an?
Tatsache ist jedenfalls, daß es bei Dagobert auch Anfälle von Altruismus gibt, die eigentlich dem Monopolkapitalismus völlig zuwider laufen. Sogar nach dem zweiten Flug zu dem anderen Planeten ist Dagobert auf eigene Faust noch um den dortigen König bemüht und schickt ihm später eine Rakete mit Dünger für dessen Landwirtschaft.
Die aufgeworfenen Fragen konnten hier nicht gelöst werden. Es scheint aber Argumente dafür zu geben, daß Dagobert das Herz eines Sammlers hat und seine Goldtalerchen wirklich liebt, während sie für andere Kapitalisten doch bloß pure, austauschbare Mittel zum Zweck sind.