Datum: 21. April 2019 19:35
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Beppo
Wie, Rolly, bringt ihr die Kinder dazu, ernsthaft Schach zu spielen...?
Zwischen Schach und Donaldismus gibt es durchaus viele Parallelen. Diese beiden Beschäftigungen prägen nicht umsonst meine Freizeit, und beruflich habe ich seinerzeit auch noch Mathematik studiert. Alles drei sind Gebiete, in denen man beliebig komplizierte Gedankengebäude errichten und sich an der Schönheit des Denkens ergötzen kann, ohne sich sonderlich mit der Welt auseinander setzen zu müssen, in der wir leben. Man kann in allen drei Gebieten das Wissen auch auf unsere Welt anwenden, man muß es aber nicht.
Um das schön und erstrebenswert zu finden, muß man aber auf eine bestimmte Weise ticken, auf die bei weitem nicht alle Menschen ticken. Ich nehme sogar an, daß die allermeisten Menschen anders ticken. Das werden wir nicht ändern, und das sollten wir auch nicht ändern wollen. Wer die Schönheit in einem mathematischen Beweis, in einer Endspielstudie oder einem Barks-Zehnseiter nicht sehen kann, der tickt halt anders. Und das ist auch gut so.
Ein altes Sprichwort sagt: Schach ist eine Pfütze, aus der eine Mücke trinken, und ein See, in dem ein Elefant ertrinken kann.
Dasselbe trifft wohl auch auf den Donaldismus zu. Und das sagt uns auch gleich, daß der Donaldismus den unterschiedlichen Menschen auch Unterschiedliches bedeutet. Man kann darin ein seichtes Bad nehmen, und man kann darin ertrinken. Deshalb ist die erste Frage, die wir uns stellen müssen: welche Art von Donaldisten wollen wir uns denn aus der Jugend heran erziehen? Nur die Elefanten? Oder wollen wir auch den Mücken die Gelegenheit zum Bad geben? Ihr, die Ihr hier diskutiert, seid sicherlich allesamt Elefanten. Ich persönlich unterhalte mich auch gerne mit Mücken über Entenhausen, aber das ist dann Small Talk. Bei Vorträgen auf Kongressen oder Abhandlungen im DD habe ich es schon gerne elefantös, eigentlich sogar bei Mairennen. Ein oberflächlicher Massendonaldismus ist für mich nichts Erstrebenswertes.
Nun zur konkreten Fragestellung: wie bringen wir die Kinder dazu, ernsthaft Schach zu spielen?
Zunächst muß man die Kinder überhaupt für Schach interessieren. Man muß sie dazu bringen, in eine Schulschach-AG oder zu einem Vereinstraining zu kommen. Dazu muß man überhaupt erst einmal eine Schulschach-AG oder ein Jugendtraining im Verein anbieten. Eine für Kinder geeignete Uhrzeit und Umgebung versteht sich dabei von selber. Und dann muß man Werbung machen: über Schule, Lokalpresse, Aushänge usw.
Irgendwann stehen dann ein paar Kinder vor dem Trainer und schauen Dich fragend an. Manche sind von sich aus neugierig, andere wurden von ihren Eltern geschickt. Der Trainer erklärt nun auf möglichst altersgerechte Weise die Grundlagen des Spiels. Das kann auch durchaus darin bestehen, daß man Erstklässler wie Springer auf dem Fliesenboden des Spiellokals herumhüpfen läßt, danach kennen sie jedenfalls die Gangart des Springers.
Einige der Kinder kommen wieder, einige bleiben beim nächsten Mal weg. Man darf keinesfalls beim ersten Mißerfolg frustriert sein: wenn man es schafft, daß von fünf Kindern eines nach drei Jahren noch dabei ist, dann hat man ein gutes Jugendtraining gemacht! Und auch das ist gut so. Diejenigen, die nicht richtig wollen, die nicht den Draht zum Schach haben, die sollten auch beizeiten aufhören, sonst ist es für alle Beteiligten nur ermüdend.
Den Wenigen, die den Draht haben, muß man etwas bieten. Sehr gut ist es, wenn man eine Gruppe beisammen hat, die sich gegenseitig anspornt. Dann kann man auch mit mehreren Kids auf Jugendturniere fahren, an Jugendmannschaftskämpfen teilnehmen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Rivalität in einer solchen Gruppe ist enorm motivierend und leistungsfördernd, und wenn man in seinem eigenen Verein keine solche Gruppe zusammen bekommt, sollte man mit Nachbarvereinen kooperieren.
Irgendwann sind die Jugendlichen dann so weit, daß sie ihre Großeltern und Klassenkameraden locker besiegen. Dann führt man sie an stärkere Schachspieler heran. Erst einmal im eigenen Verein, aber auch auf größeren Turnieren. Da Schachspieler eine Wertungszahl haben, ist es ziemlich einfach, Gegner in der passenden Spielstärke zu identifizieren. Einem aufstrebenden Jugendlichen bringt es nichts, ständig gegen übermächtige Gegner zu verlieren oder gegen Patzer zu gewinnen. Er braucht Gegner, die ein klein wenig stärker sind als er selber, damit er wachsen kann.
In dieser Phase ist es sinnvoll, einem Jugendlichen einen (oder mehrere) erfahrenen Spieler als Mentor zur Seite zu stellen, der mit ihm gemeinsam seine Schwächen identifizieren und ihn gezielt verbessern kann.
Und das Wichtigste bei allem: es darf nie der Spaß an der Sache verloren gehen! Die Kids müssen selber besser werden wollen, und das wollen sie nur, wenn es ihnen Spaß macht. Man muß es schaffen, den Ehrgeiz und auch die Liebe zum Spiel in den Kindern zu wecken. Das geht nur, wenn man ihnen als Trainer selber eine Begeisterung dafür vorlebt.
Und was bedeutet das nun für den Donaldismus? Die D.O.N.A.L.D. ist so etwas wie ein Deutscher Schachbund, und die Stammtische sind die Vereine. Wir haben in den Vereinen keine Jugendarbeit und keinen Jugendtrainer, und wir es gibt auch keinerlei Jugendturniere oder sonstige Jugendaktivitäten. Ein Jugendlicher, der bei uns auftaucht, hat sich entweder die Grundlagen selber beigebracht, oder er wird von seinen Eltern mitgebracht. Dort angekommen, trifft er auf Großmeister, die ihm erzählen, was sie alles wissen, und daß früher alles besser war.
Ein zweites Mal kommen dann nur diejenigen Jugendlichen wieder, die von den Eltern mitgeschleift werden. Aber auch die haben irgendwann Besseres zu tun.