Datum: 26. August 2010 05:15
Ur-Bottervogel schrieb:
-------------------------------------------------------
> Aber wieso denn? Der Herr Steinmeier liest
> vermutlich gerade auch eine Zeitung, wo sein Casus
> der Aufmacher ist.
Tut Duck auch gelegentlich und manchmal sogar nicht ungern: "Penizillin für Nanuk-City! Donald Duck der Held des Tages! Bürger Entenhausens Retter in der Not!" - Zu den "tollsten Geschichten von Frank-Walter Steinmeier", in denen man diesen Menschen gewissermaßen "ohne Hosen" in regelmäßigen Homestorys in Wort und Bild präsentiert bekommt, ist es aber doch noch ein gutes Stück.
Ich will mir, da das Thema es nahelegt, zunächst eine kleine Abschweifung gestatten: Rudy Salvagnini und Giorgio Cavazzano, zwei Nichtmedien, haben vor Jahren einmal eine nette Hommage an Carl Barks geschaffen, wo der "Mann hinter den Ducks" - so der Titel des Werkchens - mit den Bewohnern Entenhausens zusammentrifft und deren Erlebnisse aufzeichnet. Die beiden Italiener sind hier schon auf der richtigen Fährte, indem sie hier nicht der Fiktion nachhängen, ein "Comiczeichner" Carl Barks habe die Ducks sozusagen aus seinem Geiste heraus "erfunden", sondern Barks korrekt als den Berichterstatter identifizieren, der die tatsächlichen Erlebnisse der wirklichen Entenhausener mit ebenso großer Naturtreue wie künstlerischer Vollendung in Bildberichte umzusetzen verstand.
Bei genauer Betrachtung der Sachlage fällt allerdings die Vorstellung in sich zusammen, die Berichte könnten auf der Grundlage von Erzählungen der Ducks gegenüber einem "Reporter" Carl Barks entstanden sein, der sich alles genau und gewissenhaft notiert habe. Nicht nur weiß Carl Barks immer über die geheimsten Gedanken sämtlicher Personen in den Berichten Bescheid, sondern auch über zahllose Dinge, die nicht mit dem unmittelbaren Erleben, dem Denken, Handeln, Wahrnehmen und Wissen der Ducks zusammenhängen. Ein beliebiges Beispiel: In dem Bericht "Australisches Abenteuer" sehen wir einen Ureinwohner, der auf die Spuren der in der Nacht geflohenen Ducks zeigt und sagt: "Fremden fangen! Sonst uns verraten!" Das konnten die Ducks, die das Weite gesucht hatten, freilich nicht wissen, daß der jetzt genau so dasteht und genau das sagt. Aber er steht genau so da, und er sagt genau das, und Carl Barks weiß es! (Daß der "Reporter" in den australischen Busch ging und die Ureinwohner befragte, wie das damals war mit dem Corroborree und dem Emugulasch, weise ich kurzerhand als lächerlich und absurd zurück.) Ja, Carl Barks weiß sogar Dinge, die die Ducks vergessen haben (Cibola!).
Ginge man davon aus, die Berichte beruhten auf der Erinnerung und Erzählung der Beteiligten, müßte man ferner zwingend annehmen, daß die Bilder und Handlungen eine erhebliche künstlerische Freiheit bei der genauen Ausgestaltung zeigen. Es ist unmöglich, sich aus der reinen Rückschau an jedes dargestellte Detail zu erinnern, jedes zu erwähnen, und es ist unmöglich, daß ein Fremder überhaupt jedes völlig korrekt darzustellen vermöchte.
Über eine Begegnung Barksens mit den Ducks - sei es in unserer Welt, sei es auf dem Entenstern - ist uns also nicht nur nichts bekannt, die profane Vorstellung eines "Reporters" Carl Barks, der den Ducks begegnete und sich von ihnen berichten ließ, erweist sich darüber hinaus als unmögliche Erklärung für die Berichte. Sie rüttelt an den Grundlagen des Donaldismus, aber die Grundlagen des Donaldismus lassen nicht an sich rütteln, denn die Grundlagen des Donaldismus sind wahr. Als einzig vernünftig erweist sich das donaldistische Axiom von dem Medium Barks mit quasigöttlichen Fähigkeiten - Barks sieht, hört, weiß alles.
Was nun das andere betrifft, die Vermutung, das Gedankenspiel, Donald Duck lese "Donald Duck". Leute: Laßt die Spinnerei! Da wird mir ganz unheimlich. Zugegeben: Prinzipiell unmöglich ist nichts. Unmöglich ist auch nicht, daß Donald Duck vom Planeten Krypton stammt und in einer Rakete zu Stella Anatium geschickt wurde. Flickus, Flackus, Fumdeedledum! Das ist Donaldistenlatein und heißt auf deutsch: Wie wollen Sie das Gegenteil beweisen?
Ad fontes! Es gibt keinen positiven Hinweis, daß Duck Carl Barks kennt, von seinem Beobachtetwerden auch nur einen blassen Schimmer hat oder gar die Berichte ("Comics") von seinen eigenen Erlebnissen rezipiert. Wer darüber ernsthaft spekuliert, baut im luftleeren Raum, abgehoben vom Boden der donaldischen Tatsachen. Ich habe oben bereits dargelegt, daß der eine, einzige dürre Faden, auf dem diese ganze monströse Theorie aufgehängt wird, wahrscheinlich nicht aus Fuchsischem Garn gesponnen ist, sondern von Redaktionsfuzzis bei Ehapa produziert wurde. Im zweifelsfreien Fuchstext findet man indessen nicht mehr als eine harmlose Redewendung.
Donald Duck ist in seiner Heimatstadt sicherlich bekannt wie ein bunter Hund und sein reicher Oheim sowieso. Es läßt sich aber aus den Berichten mannigfach schließen, daß seine Abenteuer und Erlebnisse
nicht in einer Breite und Tiefe, die der hiesigen Berichterstattung über ihn auch nur annähernd gleichkommt, massenhaft bekanntgemacht werden. Ich verweise hier etwa auf den Bericht "Gute Vorsätze" (WDC 173), wo es Donald gar nicht lustig findet und sich bis auf die Knochen blamiert fühlt, als die Kapriolen, die er auf Skiern schlug, vor der ganzen Nation im Fernsehen gezeigt werden (und unsereins sieht in fast jedem Bericht Duck wirklich größere Kapriolen schlagen oder Blamables tun). Ich verweise für Dagobert schließlich auf den Bericht "Alaska-Katastrophe", wo der Alte sich gewaltig dagegen wehrt, daß überhaupt sein Bild in eine Illustrierte kommt, und wo sein Werdegang und sein tatsächlicher Reichtum seinen Mitbürgern vom "Komet" als etwas durchaus Neues und Sensationelles präsentiert werden ("Entsetzlich! 10 Seiten nur über mich und mein Geld! Geschmacklos!" - Mein Gott, Dagobert, der Schlag träfe dich, wenn du wüßtest, was wir hier über dich alles wissen!). Die Tatsache, daß Dagobert in seinem Geld badet, war dem Arzt, den er in dem Bericht über die Kohldampfinsel konsultiert, so wenig bekannt wie den Panzerknackern, die ihren Bertel ja nun wirklich kennen müssen, noch in "Der arme alte Mann". Bei uns weiß das jedes Kind.
Belege dieser Art, die zusammen genommen es als unwahrscheinlich erscheinen lassen, daß in Entenhausen "Donald Duck" gelesen wird, wird man bei einer systematischen Durchsicht der Berichte sicherlich noch viel mehr finden. Wer an alledem zweifelt, muß schon glauben, daß Donald uns allen ein Kaschperltheater vorführt. Das ist aber auch ein Rütteln an den Grundlagen des Donaldismus, das sich nicht schickt.
Ach ja: Zack!
Postskriptum: Glaubt mir's, richtig in die Bredouille käme Donald, würde man im Hause Duck nicht nur "Donald Duck" lesen, sondern den "Donaldisten".
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.08.10 06:40.